Montag, 23. Mai 2005
K.9

"Es ist schwer mit euch", sagte K. und verglich wie schon öfters ihre Gesichter, "wie soll ich euch denn unterscheiden? Ihr unterscheidet euch nur durch die Namen, sonst seid ihr einander ähnlich wie" er stockte, unwillkürlich fuhr er dann fort , "sonst seid ihr einander ja ähnlich wie Schlangen."
...Ich werde euch deshalb wie einen einzigen Mann behandeln und beide Artur nennen, so heißt doch einer von euch...Schicke ich Artur irgendwohin, so geht ihr beide, gebe ich Artur eine Arbeit, so macht ihr sie beide, das hat zwar für mich einen großen Nachteil, daß ich euch nicht für eine gesonderte Arbeit verwenden kann, aber dafür den Vorteil, daß ihr für alles, was ich euch auftrage, gemeinsam ungeteilt die Verantwortung tragt..."
Sie überlegten das und sagten: "Das wäre uns recht unangenehm."
"Wie denn nicht", sagte K., "natürlich muß euch das unangenehm sein, aber es bleibt so."
...
"Ihr dürft mit niemandem ohne meine Erlaubnis sprechen. Ich bin hier ein Fremder, und wenn ihr meine alten Gehilfen seid, dann seid auch ihr Fremde. Wir drei Fremden müssen deshalb zusammenhalten, reicht mir daraufhin eure Hände."
...
"Gut", sagte der eine. Der andere aber fuhr dazwischen: "Du sagst: Gut, und weißt doch, daß es unmöglich ist."
"Ruhe", sagte K., "ihr wollt wohl anfangen, euch voneinander zu unterscheiden."
Doch nun sagte auch schon der erste: "Er hat recht, es ist unmöglich, ohne Erlaubnis darf kein Fremder ins Schloß."
"Wo muß man um die Erlaubnis ansuchen?"
"Ich weiß nicht, vielleicht beim Kastellan."
"Dann werden wir dort telefonisch ansuchen, telefoniert sofort an den Kastellan, beide!"
Sie liefen zum Apparat, erlangten die Verbindung wie sie sich dort drängten! Im Äußerlichen waren sie lächerlich folgsam und fragten, ob K. mit ihnen morgen ins Schloß kommen dürfe. Das "Nein!"
der Antwort hörte K. bis zu seinem Tisch. Die Antwort war aber noch ausführlicher, sie lautete: "Weder morgen noch ein andermal."
"Ich werde selbst telefonieren", sagte K. und stand auf. ...Es entwickelte sich folgendes Gespräch: "Hier Oswald, wer dort?"
rief es, eine strenge, hochmütige Stimme, mit einem kleinen Sprachfehler, wie es K. schien, den sie über sich selbst hinaus durch eine weitere Zugabe von Strenge auszugleichen versuchte. K. zögerte, sich zu nennen, dem Telefon gegenüber war er wehrlos, der andere konnte ihn niederdonnern, die Hörmuschel weglegen, und K. hatte sich einen vielleicht nicht unwichtigen Weg versperrt. K.s Zögern machte den Mann ungeduldig. "Wer dort?"
wiederholte er und fügte hinzu: "Es wäre mir sehr lieb, wenn dortseits nicht soviel telefoniert würde, erst vor einem Augenblick ist telefoniert worden."
K. ging auf diese Bemerkung nicht ein und meldete mit einem plötzlichen Entschluss: "Hier der Gehilfe des Herrn Landvermessers."
"Welcher Gehilfe? Welcher Herr? Welcher Landvermesser?"
K. fiel das gestrige Telefongespräch ein. "Fragen Sie Fritz", sagte er kurz. Es half, zu seinem eigenen Erstaunen. Aber mehr noch als darüber, daß es half, staunte er über die Einheitlichkeit des Dienstes dort. Die Antwort war: "Ich weiß schon. Der ewige Landvermesser. Ja, ja. Was weiter? Welcher Gehilfe?"
"Josef", sagte K. Ein wenig störte ihn hinter seinem Rücken das Murmeln der Bauern; offenbar waren sie nicht damit einverstanden, daß er sich nicht richtig meldete. K. hatte aber keine Zeit, sich mit ihnen zu beschäftigen, denn das Gespräch nahm ihn sehr in Anspruch. "Josef?"
fragte es zurück. "Die Gehilfen heißen" eine kleine Pause, offenbar verlangte er die Namen jemandem anderen ab "Artur und Jeremias."
"Das sind die neuen Gehilfen", sagte K. "Nein, das sind die alten."
"Es sind die neuen, ich aber bin der alte, der dem Herrn Landvermesser heute nachkam."
"Nein!"
schrie es nun. "Wer bin ich also?"
fragte K., ruhig wie bisher. Und nach einer Pause sagte die gleiche Stimme mit dem gleichen Sprachfehler und war doch wie eine andere tiefere, achtungswertere Stimme: "Du bist der alte Gehilfe."
K. horchte dem Stimmklang nach und überhörte dabei fast die Frage: "Was willst du?"
Am liebsten hätte er den Hörer schon weggelegt. Von diesem Gespräch erwartete er nichts mehr. Nur gezwungen fragte er noch schnell. "Wann darf mein Herr ins Schloß kommen?"
"Niemals", war die Antwort. "Gut", sagte K. und hing den Hörer an.

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